Erklärung aus der Friedensbewegung zum Aktionstag am 22.10.2022
Auch wir sind der Meinung, dass angesichts der Mehrfachkrise – Krieg, Energiekrise,
Inflation – und deren sozialen Konsequenzen ein solidarischer Herbst dringend
notwendig ist. Deshalb finden die sozialen Forderungen des Aufrufs „Solidarischer
Herbst“ unsere volle Unterstützung.
Deutschland wird jedoch immer mehr zur Kriegspartei; nicht nur auf der Seite der
Ukraine, sondern auch in einem internationalen Stellvertreterkrieg zwischen Russland
einerseits und den USA und deren Juniorpartnern in der NATO andererseits. Wir sind
stattdessen mit Willy Brandt der Auffassung, dass Frieden zwar nicht alles, aber ohne
Frieden alles andere nichts ist.
Eine solidarische Politik für Klima– und Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und
Solidarität mit dem Globalen Süden hat nur dann eine Chance, wenn die Waffen
schweigen und sofort Verhandlungen zur politischen Lösung des Konflikts
aufgenommen werden. Eine militärische Lösung gibt es nicht.
Acht Monate nach dem russischen Einmarsch sind alle Seiten in der Eskalationsspirale
gefangen. Auf jede neue Drehung reagiert die jeweils andere nach der Devise „Auge
um Auge, Zahn um Zahn“. Mit Rache und Bestrafen durch immer massiveren
Militäreinsatz taumeln wir aber immer näher an den Abgrund einer noch viel größeren
Katastrophe, als wir sie jetzt schon haben.
Wirtschaftlich, sozial und ökologisch gibt es in Europa nur Verlierer dieser Eskalation.
Die Explosion der Energiepreise ist nicht einfach Folge des Krieges. Die Sanktionen,
die der Westen als Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands
verhängt hat, sind zu einem historisch beispiellosen Wirtschaftskrieg geworden, der
unzählige Unbeteiligte in der ganzen Welt trifft und der seinerseits völkerrechtswidrig
ist.
Auch Deutschland ist wirtschaftlich besonders stark betroffen. Das Handelsblatt
Research Institute schreibt zurecht in seiner jüngsten Konjunkturprognose: „der
Wirtschaftskrieg zwischen Europa und Russland drückt die deutsche Volkswirtschaft
gerade in die nächste Rezession“. Und die Deutsche Bank Research schreibt: „Wenn
wir in zehn Jahren auf die derzeitige Energiekrise zurückblicken, könnten wir diese Zeit
als Ausgangspunkt für eine beschleunigte Deindustrialisierung in Deutschland
betrachten.“ Es drohen soziale Verwerfungen, Arbeitslosigkeit und Verarmung von
Millionen.
Zudem sind der Ersatz der Gaslieferungen aus Russland durch Flüssiggas – zu einem
großen Teil aus Fracking –, sowie die Weiternutzung von Kohle und Atomkraft auch
ökologisch schädlich. Die Länder des Globalen Südens leiden besonders unter den
steigenden Preisen für Energie, Nahrungsmittel und Düngemittel, auch weil ihnen
Europa das Flüssiggas von den Weltmärkten wegkauft und unbezahlbar macht.
Die 100 Milliarden Euro teure Aufrüstung der Bundeswehr, unter anderem zur
Anschaffung atomwaffenfähiger Kampfbomber aus den USA, ist überflüssig, gefährlich
und verschwendet Finanzmittel, die dringend für Investitionen zum Klimaschutz und
einen sozial–ökologischen Umbau benötigt werden. Schon heute geben allein die
europäischen NATO–Staaten fünfmal so viel Geld für Rüstung aus wie Russland, die
USA allein mehr als zehnmal so viel. Die NATO ist Russland bei konventionellen
Waffen militärisch weit überlegen.
Europa und die Welt können es sich nicht leisten, dass ein jahrelanger Schieß– und
Wirtschaftskrieg die ganze Welt in Krisen und Konfrontation gefangen hält. Die Lösung
der großen globalen Herausforderungen – Frieden, Klimaschutz, Entwicklung – geht
nur mit Entspannung, einer Politik der gemeinsamen Sicherheit und internationaler
Zusammenarbeit.
Notwendig ist daher, die Aufrüstung und den Wirtschaftskrieg zu beenden und
Verhandlungen zur Beendigung des Krieges verbunden mit Gesprächen über die
Wiederaufnahme von Wirtschaftsbeziehungen zu führen.
Die UN–Resolution, die den Einmarsch Russlands verurteilt, muss endlich von der
Bundesregierung in ihrer Gesamtheit beachtet werden, denn sie fordert auch
„nachdrücklich die sofortige friedliche Beilegung des Konflikts zwischen der
Russischen Föderation und der Ukraine durch politischen Dialog, Verhandlungen,
Vermittlung und andere friedliche Mittel.“
Wir fordern von der Bundesregierung
- eine sofortige Verhandlungsinitiative statt Waffenlieferungen und
Wirtschaftskrieg! - Abrüsten, sozialen Schutz und Klimaschutz statt Aufrüsten!
Ukraine–Initiative – die Waffen nieder! https://nie-wieder-krieg.org/
Reiner Braun (International Peace Büro),
Hugo Braun (Attac Koordinierungskreis), Claudia Haydt (Informationsstelle Militarisierung Tübingen – IMI),
Ralf Krämer (Sozialistische Linke),
Willi van Ooyen (Friedens– & Zukunftswerkstatt Frankfurt/M.),
Christoph Ostheimer (Friedensaktivist in ver.di),
Peter Wahl (Mitbegründer von Attac).